Liebe ist keine Investition

Online-Dating kommt mir vor wie ein Computerspiel. Man versucht, die Regeln zu verstehen, und dann Punkte zu sammeln. Erfolgspunkte fürs eigene Ego. Auch nur noch ein Ego-Shooter. Und wenn man keine Erfolgspunkte sammelt, obwohl man so viel Zeit „investiert“, dann ist man frustriert. Haben wir eben gesagt, „investiert“? Lustig irgendwie. Eben war es noch ein Spiel, und Spiele sollten doch Spaß machen und zweckfrei sein. Doch plötzlich ist es kein Spiel mehr, plötzlich ist es eine Investition die sich rechnen muss. Wir sind schließlich erwachsen, wir können unsere Zeit nicht mit Spielen vergeuden. Das ist Zeitverschwendung. Doch wenn man das weiterdenkt, was ist dann die Investition und was ist der Gewinn? Es scheint so zu sein, dass Menschen jede Zeit die sie dem anderen Geschlecht widmen, bevor sie ihr selbst gesetztes Ziel (und ich frage mich, was das sein soll) erreicht haben, als Aufwand betrachten. Also entweder Kosten (böse) oder Investition. Dass ich Zeit am Computer die mir keinen Spaß macht, nicht als Gewinn betrachten kann, ist nachvollziehbar. Doch merkwürdig wird es in dem Augenblick, in dem wir uns offline begegnen. Hier bin ich der Ansicht, dass jede Zeit die wir mit dem anderen verbringen dürfen, Zeit ist, die der andere uns schenkt, und damit genau das ist, ein Geschenk. Sie als Investition unsererseits zu betrachten, ist schon deswegen falsch, weil unsere Zeit ja nicht wertvoller ist als die des anderen. Es klingt radikal, aber diesen Tipp möchte ich jedem jungen Menschen mit auf den Weg geben: wenn ihr euch nicht sicher ist, ob eure Zeit nicht zu wertvoll für den anderen ist, dann trifft euch nicht mit ihr. Trifft euch mit jemand anderem oder liest ein Buch. In dem Moment in dem ihr anfängt zu rechnen, lasst es einfach bleiben.

Achja, und man „investiert“ ja mehr als nur Zeit. Man macht sich hübsch wenn man denkt man müsste hübscher sein, man macht sich hässlich wenn man denkt, man müsste nahbarer sein, man nimmt ab, man nimmt zu, man färbt sich den Haaransatz, man lässt den Haaransatz raus wachsen, man nimmt sich Urlaub wenn die Arbeit sonst im Weg steht, man gibt den Urlaub ab wenn die Arbeit als Vorwand benötigt wird, man fährt wohin, man fährt woanders nicht hin, man lädt jemanden ein obwohl es das Konto nicht zulassen will, man lässt sich einladen obwohl es die Ehre nicht zulassen will, man rasiert sich um weiblicher zu sein, man rasiert sich nicht um männlicher zu sein, man duscht sich um gut zu riechen, man duscht sich nicht um nicht zu wirken als hätte man es nötig, man putzt sich die Schuhe um zu zeigen dass das Treffen etwas besonderes ist, man putzt sich nicht die Schuhe um zu zeigen dass das Treffen nichts besonders ist, man repariert das Bett damit das nicht im Weg steht, man repariert das Bett nicht, damit es im Weg steht, man lernt kochen um den anderen zu beeindrucken, man isst es selber auf um nicht den Eindruck zu erwecken, man würden das versuchen… Man kauft extra Wein um den anderen abzufüllen, man vernichtet den Vorrat wieder um den anderen nicht abzufüllen, man kauft wieder Wein, um nicht diesen Eindruck zu erwecken… die Liste ist unendlich. Was für ein Aufwand! Aber lass uns nicht den Fehler machen, es als Investition zu sehen. Wenn ihr es unbedingt so sehen wollt, dann macht bitte folgende Return On Investment-Kalkulation: Ist ein Blick in die Augen des Anderen nicht mindestens genauso wertvoll wie irgendeiner, oder auch aller, Punkte auf obiger Liste? Dann trefft ihr euch mit der falschen Person.

So oder so, hier ist, wie ich das sehe: Ein Mensch ist kein Investitionsobjekt. Was ich für jemanden tue, ist niemals Investition. Es ist vielmehr Opfergabe. Ein bescheidenes Opfer auf dem Altar der Liebe. Und jeder Mann ist ein Gott. Genau wie jede Frau eine Göttin ist. Götter schulden uns nichts. Sie tun was sie wollen. Wir können glücklich sein, an ihrer Gegenwart teilzuhaben, und können in dem wir geben, in dem wir das geben, was wir ohne zu Zögern und ohne Reue geben können, unseren Dank ausdrücken. Das ist alles.

Manche versuchen, Männern (und Frauen) Mut einzureden indem sie sie daran erinnern, dass jede Frau (oder jeder Mann) auch „nur“ ein „Mensch“ ist. Ja, vielleicht soll man nicht so viel Ehrfurcht haben, dass man in Ehrfurcht erstarrt, point taken. Aber dass man in dem Gegenüber Gott erkennt, dass man im Anderen die Göttlichkeit erkennt die jedem Menschen innewohnt, das ist doch genau das wunderbare an der Liebe. Liebe heißt Dienst an etwas Höherem.

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